Tuesday, July 1, 2014

Quo vadis Theater?

Die Zeiten ändern sich: die Gesellschaft, die mediale Öffentlichkeit und die Wahrnehmung von Wirklichkeit haben sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich gewandelt. Das Theater befindet sich immer stärker in einer Konkurrenzsituation mit dem Fernsehen, Film und den digitalen Technologien wie dem Internet und den social media. Diese Medien können zu Hause einfach abgerufen und verwendet werden. Im Gegensatz zum Theater. Das Theater ist kein Gebrauchsgegenstand, ein Theater muss man besuchen.
 
Wir befinden uns gegenwärtig in einer gewissen postmodernen Unübersichtlichkeit. Es lässt sich beobachten, wie daraus in vielen Fällen Desorientierung und Fehlkommunikation entstehen. Die Wirklichkeiten haben sich verschoben. Immer häufiger werden wir mit reproduzierten Wirklichkeiten konfrontiert, die als Wirklichkeiten beworben werden. Es fehlt ihnen aber oft der authentische und originäre Kern. Theater muss auf den Strukturwandel reagieren, aber wie? Quo vadis Theater?

Das Theater muss sich immer wieder selbst befragen: Welche Rolle will und kann Theater in diesen sich ändernden Zeiten spielen? Wodurch kann es sich von anderen Angeboten – eben auch von den oben genannten Medien - unterscheiden? Welche Strategien und Strukturen kann das moderne (Stadt)Theater anbieten? Womit und wie holt man das Publikum ab? Ist das Theater ein flexibler Prophet oder ein statischer Berg?
 
Theater braucht das Publikum. Immer wieder muss das Theater sein Publikum finden und für sich gewinnen. Es geht dabei nicht um marketing tools, sondern dass das Theater primär etwas zu bieten hat, was sich gerade von der normativen und der digitalen Wirklichkeit nachhaltig unterscheidet und Angebote macht und Alternativen aufzeigen kann. Das Theater kann ein guide sein: ein Wegweiser, um authentische Erlebnisse zu haben und besondere Erfahrungen zu machen. Es kann 'Gemeinsamkeit schaffen' innerhalb der Unterschiede: We are one, but not the same. Um eine (gemeinsame) Erfahrung zu machen; muss ein gemeinsamer sozialer Kontext zwischen Theater und Publikum hergestellt werden.
 
Theater ist ein Live-Ereignis; es passiert im Hier und Jetzt. Interaktion und Dialog zwischen Bühne und Publikum sind nicht nur möglich, sondern eminent wichtig und werden immer notwendiger. Das unmittelbare Ereignis und die Möglichkeit, direkt reagieren, eingreifen und partizipieren zu können, unterscheidet das Theater wesentlich von anderen Medien. Der Raum ist ein physischer und erlebbarer Raum, im Gegensatz zu reproduzierten oder fiktiven Räumen.
 
Traditionell hatte das Theater der Neuzeit seinen festen Platz innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft eingenommen. Kann es diesen Platz weiterhin a priori einnehmen, jetzt wo sich diese Gesellschaft tiefgreifend gewandelt hat? Die Gefahr besteht darin, zu denken, dass das Theater sich nicht neu positionieren müsste und sich deshalb nur konsolidiert und infolgedessen die alten (bürgerlichen) Werte einfach nur noch abgebildet werden, dass also Wirklichkeiten nicht wahrhaftig geprüft und kritisch hinterfragt werden. Das Theater soll jedoch nicht Werte konservieren, sondern befragen und neue Werte schaffen und mitgestalten. Es soll kein kulturelles Artefakt sein; es soll dynamisch anstelle von statisch sein. Das postdramatische Theater wählte den Weg der Dekonstruktion, um eine allgemeine Öffnung zu erzielen. Was aber kommt nun nach dem postdramatischen Theater? Recycling oder Revolution? Wie könnte das Theater der Zukunft aussehen?
 
Ich glaube, dass es ein 'Theater der Begegnung' sein wird. Wichtiger als Inhalte und Formen wird hier sein, welche soziale Haltung bzw. strategische Position das Theater in der Zukunft einnehmen will. Daraus werden die Inhalte und Formen hervorgehen. Die künstlerisch-ästhetischen Kurse, Diskurse und Devisen ergeben sich zwangsläufig aus der Positionierung. Ein Theater das interaktive und interdisziplinäre Begegnungsstätte ist, das weitreichend vernetzt und eingebettet ist in soziale, politische, religiöse, ethnische, ökonomische, ökologische und wissenschaftliche Realitäten oder eben diese im Theater konstruiert. In einem solchen Theater können verschiedene, ja selbst gegensätzliche Formen (z.B. klassische und postdramatische Formen), Perspektiven und Strategien koexistieren. Pluralismus ist das Stichwort.
 
Mit den sich verändernden Gesellschaftsstrukturen und den damit verbundenen sozialen Ängsten, ist es erst einmal auch schwieriger geworden, die Menschen aus ihren Sicherheitszonen zu holen. Oder aus ihren verkabelten und vernetzten Wohn- und Arbeitszimmern. Das Theater aber solle ein kreativer Unruhestifter bleiben, um die Alternativen zu den Sicherheitszonen aufzuzeigen und erlebbar zu machen. Im Theater können bestimmte Risiken auf spielerische Weise exerziert werden. Theater kann ein Laboratorium und Experimentierfeld für soziale Wirklichkeiten sein, kann eingrenzen statt abgrenzen, Gemeinsamkeiten herstellen. Dialog entsteht eben dort, wo gemeinsame Kontexte gesucht, geschaffen oder frei gelegt werden. Das Theater als ein dynamischer, interdisziplinärer und vitaler Ort der Begegnung.
 
Das Theater muss heutzutage nicht nur 'repräsentieren', sondern 'empfangen', offen sein für die Interessen der Menschen und die aktuellen, relevanten gesellschaftlichen Diskurse. Das Theater als Plattform und Spielwiese für Ideen, um gleichermaßen zu inspirieren und Inspiration zu empfangen. Das Theater soll offen sein, nicht nur auf diese oder die sich verändernden Wirklichkeiten reagieren, sondern muss dabei selbst Impulse setzen, (Spiel)Räume für Interaktion und Dialog erzeugen, gleichzeitig offen und empfänglich für Reize und Anreize von Außen sein. Es soll nicht predigen und moralistisch sein, sondern dialektisch arbeiten, Gegensätze aufzeigen, Fragen stellen und Denkanstöße bieten; Verschränkung von (sozialen) Wirklichkeiten im Sinne von Beuys' anthropologischem Kunstbegriff 'Soziale Plastik'. Keine Abgrenzung des Theaters von den gesellschaftlichen Realitäten, sondern Schnittmengen suchen und Anschlüsse herstellen. Das Theater kann Wirklichkeiten erlebbar und erfahrbar machen und auf diese Weise zum eigenständigen kreativen und sozialen Handeln anregen. Diese Handlungen können wiederum Einfluss haben und ein Impuls für das Theater sein (Feedback-Schleife). Über das Bewusstwerden einer spezifischen äußeren Wirklichkeit können wir ein inneres Selbstbewusstsein entwickeln, das sich langsam mit der äußeren Wirklichkeit versöhnen kann. Die normativen Werte bzw. Wertevorstellungen sollen nicht kopiert oder konserviert, sondern aufgebrochen und kreativ gestaltet werden. Im Gegensatz zu dem, was wir durch die zeitgenössischen Medien ohnehin schon im Überfluss angeboten bekommen, kann das Theater alternativ etwas anbieten: Dreidimensionale 'Berührung' statt zweidimensionaler Unterhaltung.

Ich sehe das Theater als einen Raum für Dialog und Erfahrungen. Dieser Raum ist nicht notwendigerweise der materiell existierende Raum des Theaters mit der klassischen Einteilung von Bühne und Zuschauerraum, sondern kann auch ein imaginärer und immaterieller Ort sein. Es ist vor allem aber ein Raum, der 'gemeinsam' erschaffen wird, weil Macher und Zuschauer gleichberechtigte Partner innerhalb dieses Raumes sind. Macher und Zuschauer befinden sich in der gleichen Wirklichkeit und reagieren auf diese Wirklichkeit und aufeinander. Verschränkung statt (räumlicher) Abgrenzung, Theater als Ritual: Die ursprüngliche Funktion des Rituals besteht darin, die Menschen zusammen zu bringen und zu binden. In der Gemeinschaftlichkeit eines Erlebnisses können Sinnzusammenhänge dargestellt und bloßgelegt werden, die über die einfache Handlung hinausreichen, und als solche erfahren werden. Das Erfahrungstheater versucht Räume, Kontexte und Spielregeln zu definieren, in denen Theatermacher und Zuschauer gemeinsam Wirklichkeiten erproben können. Es sind hier nicht mehr nur Schauspieler, die agieren und spielen, sondern alle Anwesenden sind am Ereignis beteiligt.
 
Die (R)Evolution des Theaters impliziert auch eine sich verändernde Rolle des Zuschauers: der Zuschauer wird zum aktiven Mitstreiter, Gestalter und Teilhaber. Die Perspektiven verschieben sich von der klassisch eher zurückhaltenden, distanzierten Position in eine beteiligte, aktive Haltung. Grenzen werden verschoben oder aufgelöst; auch die Grenzen zwischen Bühne und Publikum sollen durchlässig sein. 
 
Die Themen und Stücke, die Vorstellungen und Projekte, müssen diesen Aspekt berücksichtigen und auf verschiedene Art und Weise integrieren. Die vierte Wand soll sinnbildlich aufgehoben werden, viele Inszenierungen sollen einen sozial-integrativen Charakter haben, nicht nur ausschließlich Als-ob-Wirklichkeiten repräsentieren, sondern erkennbare und gemeinsam erlebbare Wirklichkeiten vorführen und durchspielen. Theatermacher und Publikum können Teil derselben Wirklichkeit und Erfahrungswelt sein.

Ein neues Theater braucht auch eine neue, durchlässige Dramaturgie, in der sowohl Platz für das Alte als auch für die Aktualität ist, für kritische Selbstbefragung und Reflexion, für das Aufbrechen normativer und kanonisierter Denkbilder und Strukturen, das Evaluieren von altem und Entwickeln von neuem Repertoire. Ein anderer Umgang mit dem Repertoire als bisher erscheint mir zwingend. Der Theaterkanon soll nicht festgeschrieben sein, sondern muss kritisch unter das Vergrößerungsglas unseres Zeitalters gelegt werden. Auch hier gilt, dass Werte nicht nur einfach repräsentiert werden sollen, sondern aufgebrochen werden müssen. Theatergeschichte ist ein offener Prozess und hat viel damit zu tun, welchen Wert wir ihr - und damit bestimmten Epochen, Autoren und Inhalten – zuordnen. Es geht nicht um ein abschließendes, definitives Urteil, sondern um das Entwickeln eines Bewusstseins für diese Geschichte und welche Bedeutung wir ihr beimessen. Wer die Theatergeschichte versteht, kann die Zukunft des Theaters verstehen und mitgestalten. Shakespeare ist unser ewiger Zeitgenosse, aber ist er auch unsere Antwort auf die Krise? Seine Stücke verfügen über einen universellen Charakter und haben sich als durchlässig bewiesen für aktuelle Betrachtungen und Fragen, spiegeln menschliche Dilemmas und Krisen, aber können sie auch eine Lösung anbieten?

Neben dem schriftlich fixierten Repertoire entsteht immer mehr ein Repertoire, dass sich aus der Arbeit, der Versuchsanordnung, der Collage und Montage von Material ergibt, das seinen Ursprung in verschiedenen Disziplinen und (Alltags)Wirklichkeiten hat. Im Bereich des non-scripted Repertoires können sich experimentelle Formen entwickeln, weil hier jedes Stück, jeder performativer Akt, erst einmal seine Form finden und definieren muss, weil man hier nicht auf vorgeschriebene Formen zurückgreifen kann, sondern zum Inhalt passende Formen erfinden muss. In den Niederlanden beispielsweise ist dieser Bereich stark entwickelt, begünstigt durch die Tatsache, dass es hier weniger festgeschriebene Theatertraditionen gibt.
 
Mit der sich ändernden Zuschauerrolle, verändert sich auch die Dramaturgie. Die speziellen Formen erfordern eine spezifische, dem Projekt-Charakter angemessene Dramaturgie. Der Dramaturg wird generell als 'erster Zuschauer' bezeichnet. Er steht also nicht nur auf der Seite der Produktion, sondern eben auch auf der Zuschauerseite. Er überprüft, ob die Theatercodes lesbar und verständlich sind. Der Dramaturg ist nicht nur Partner der Regisseure, Schauspieler und anderer Dramaturgen, sondern Partner der Zuschauer. Dramaturgen sollten Botschafter und Intermediäre sein. Der Dramaturg kann die Bühne bis in die sozialen Wirklichkeiten der Zuschauer hinein erweitern und ausdehnen. Mit Hilfe von verschiedenen Angeboten, wie besonderen Randprogrammen, Einführungen und Publikumsgesprächen, edukativen Projekten und Initiativen, Workshops und anderen Aktivitäten – kann das Theater, beispielsweise in Person des Dramaturgen, direkten Zugang zum Publikum finden und Öffnung erzielen, in Kombination mit ausgewählten Inhalten.

Theater als 'offenes Geheimnis': Im Gespräch mit den Zuschauern, können beispielsweise Theatercodes erklärt werden. Ganz wesentlich dabei ist, dass der Dramaturg Theater nicht nur erklärt, sondern vor allem 'zuhört' und die Beiträge, Reaktionen und Wünsche der Zuschauer inventarisiert. Im direkten Kontakt mit dem Publikum lassen sich (Schwellen)Ängste wegnehmen, das Theater zugänglich machen und kann man das Publikum 'abholen'. Dieser Kontakt findet nicht nur im Theater selbst statt, sondern insbesondere in den Bereichen, in denen die Zuschauer zu Hause sind: in den Stadtteilen, in der Gemeinde, in der Region, am Arbeitsplatz, in den Freizeiträumen. Theaterarbeit ist field research.
 
Das Theater kann mit Hilfe dieser community art-Projekte in Stadtteile und in die Region gehen und dort Publikum werben. Bei Projekten außerhalb der herkömmlichen Spielstätten (site specific theatre) sind der Ort und möglicherweise auch die Situation an dem jeweiligen Ort, für die Theatermacher und das Publikum gleichermaßen neu. Der Unterschied bzw. die Distanz zwischen Bühne und Saal wird dadurch aufgehoben. Natürlich geht es bei solchen Projekten auch um Fürsorge, Kontinuität und Nachhaltigkeit und ist es wünschenswert, dass ein Rahmen geschaffen wird, der über ein einzelnes Projekt hinaus reicht. Das Theater muss bestehende Partnerschaften verstärken und neue Partner suchen. Gemeinsam mit den Partnern können Projekte initiiert und Impulse gesetzt werden. Theater soll Freude machen und Freude verbreiten. Freude erzeugt Öffnung und Angebote. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass man im Theater nur mit Ernsthaftigkeit auf die sich verändernde Welt reagieren kann oder dass Spaß nicht auch ernst sein kann. Wer das Theater liebt, wird diese Liebe auch ausstrahlen und austragen.
 
Ein Theater, dass bürgernah operiert und für, von und mit Bürgern Theater macht, können wir vielleicht ein 'Bürgertheater' nennen oder als modernes Volkstheater bezeichnen, dann jedoch nicht im Sinne eines Boulevardtheaters, auch nicht als Lehrstück-Theater, sondern als ein unterhaltsam-aufklärerisches 'Theater des Zeigens', in dem unser Alltag wiedererkennbar thematisiert wird, in dem unsere Ängste und Nöte ernst genommen und dargestellt werden, ohne dass es Dogmen oder übergeordneten Doktrinen oder Interessen folgen würde. Dieses Theater untersucht kulturelle Traditionen, bricht sie auf und führt sie fort. Dieses Theater hat einen sozialen, historischen und anthropologischen Charakter.
 
Eine Dramaturgie aus der Perspektive des Zuschauers meint eben auch, dass die tatsächliche Wirklichkeit des Zuschauers konkret miteinbezogen wird. Das kann auf verschiedene Weise vollzogen werden. Diese Realität kann in der Bühnenrealität gespiegelt oder mit der Bühnenrealität konfrontiert werden. In sozial-integrativen Projekten mit Amateuren und Experten (Spezialisten in unterschiedlichen Fachbereichen außerhalb des Theaters) wird deren Wirklichkeit selbst thematisiert: zum Beispiel die Wirklichkeit von Schülern, Lehrern, Studenten, Wissenschaftlern, diversen Berufsgruppen, Arbeitslosen, Rentnern, Obdachlosen, Flüchtlingen, Behinderten und (ethnischen) Minderheiten. In solchen Projekten ist es oftmals unerlässlich gemeinsame Spielregeln zu finden und zu definieren. Solche Projekte sind Teil der Öffnung des Theaters nach Außen. Laiendarsteller werden mit den Regeln des Theaters und der Dramaturgie konfrontiert und vertraut gemacht. Ihre Identitäten, die in einen dramatischen Kontext eingebunden werden, erzeugen Identifikation, auch jenseits der Bühne. Einerseits fühlen sich die Darsteller mit dem Theater verbunden, andererseits wecken sie auch Interesse bei den sozialen Gruppen, denen sie angehören.
 
Das Repertoire ergibt sich aus der sozialen Verschränkung. Dabei entsteht, wie bereits oben ausgeführt, neues Repertoire, dass den sozialen Wirklichkeiten verpflichtet ist, unter Berücksichtigung von Medien, Film und Literatur. Andererseits lässt sich herausfiltern, welche Art von Stücken und Epen gespielt werden müssen, welche Theaterliteratur in unsere Zeit gehört. Die soziale Verschränkung gibt im gewissen Masse bestimmte Kriterien vor, die auf das Repertoire, von den griechischen Tragödien bis hin zu den postmodernen Landschaften, angewendet werden können.
 
Selbstverständlich kann auch bei der Inszenierung von Repertoire eine 'Dramaturgie aus der Perspektive des Zuschauers' erfolgreich angewendet werden. Wie erreicht man das? Mittels der räumlichen Anordnung (der Spielfläche), der Präsentation und Präsenz, so wie dem Bewusstsein von Schauspielern und Darstellern kann ein anderer Zugang zum Zuschauer und damit auch eine andere Perspektive und Perzeption des Publikums erreicht werden. Wenn beispielsweise auch die Mechanismen einer Inszenierung transparent gemacht werden und das Publikum erfahren kann, dass es ein Teil einer inszenierten Wirklichkeit ist. Die Desillusion kann die Konzentration steigern und das Bewusstsein für die Hier-und-Jetzt-Situation erhöhen. Oder über die Spielregeln – die aus dem unsichtbaren Regie-Konzept destilliert wurden - werden die Situationen erfahrbar. Statt einer inszenierten Wirklichkeit trifft der Zuschauer eine reale, erkennbare Wirklichkeit an.
 
Die Frage, was für ein Theater wir wollen, hat immer auch mit der Frage zu tun, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Wie kann das Theater sich innerhalb der Gesellschaft manifestieren und verfestigen, ohne statisch zu sein? Dass das Theater sich ständig neu ausrichten und definieren muss, kann günstigerweise dazu führen das Utopien entwickelt werden, ja, dass das Theater selbst einen affirmativen Rahmen für Utopien zur Verfügung stellt. Das Theater kann sowohl auf Entwicklungen reagieren als auch selbst Konzepte entwickeln, die die gesellschaftliche Entwicklung antizipieren. Wohin wird uns das Theater führen?

Florian Hellwig
Erste Fassung, März/ April 2013 (erstmals online publiziert am 22. April 2013)